Dienstag, 5. März 2013

Sachen gibt es... *** Kampf gegen die Krippennorm


(von Schmutzli)


Kampf gegen die Krippennorm

«Mama, warum muss Tammy aufhören?» Ja, warum? Falls es soweit
kommen sollte, dass Tammy’s Daycare Center tatsächlich schliessen
muss, wird es nicht einfach sein, es meiner fünfjährigen Tochter zu
erklären.


Seit 23 Jahren betreibt die gebürtige Israelin Tammy Gross ihren 
Kinderhütedienst im Zürcher Seefeld. In dieser Zeit gingen Kinder etlicher 
Nationalitäten bei ihr ein und aus. 

Eltern, die unregelmässig arbeiten, Eltern auf der Durchreise, Expats, 
Eltern, die ihr Kind stundeweise in guten Händen wissen wollten, loben 
Tammy’s Daycare Center über den grünen Klee. 



«Ich will ein Babysitter bleiben»


So auch ich. Die Kinder werden bei der ausgebildeten Kindergärtnerin 
bestens betreut. Davon zeugen unzählige Dankesschreiben aus aller 
Welt. 

Und da es sich eben gerade nicht um eine Kinderkrippe mit all ihren 
starren Regeln handelt, wird der Wunsch vieler Eltern nach einer flexiblen 
Kinderbetreuung wahr. Meine ältere Tochter ist im Kindergarten und bei 
Gross immer noch willkommen, zum Beispiel in den Ferien. Die Jüngere 
geht zu «Tammy», mal regelmässiger, mal nicht. Je nach Bedarf.

In 23 Jahren kam es zu keiner Beanstandung. Das wissen auch die 
Beamten des Sozialdepartements. Sie kennen Gross’ Betreuungsangebot 
und bescheinigten ihr, dass es ein Kinderhütedienst und keine Krippe sei 
und daher keiner Bewilligungspflicht unterstehe. 

Das war 2006. Am Angebot hat sich seither nichts geändert. An der 
Haltung des Sozialdepartements dagegen schon. Weil ein Beamter bei 
einem Besuch 15 Kinder antraf, kommt das Sozialdepartement zum 
Schluss, dass es nun doch eine Bewilligung braucht. 

Weiterer Steine des Anstosses waren die Öffnungszeiten auf der Website 
und dass Gross die Kinder verpflegt.

Mit Verlaub, da hat der Amtsschimmel ziemlich laut gewiehert. Es liegt in 
der Natur von Gross’ Angebot, dass es mal vorkommen kann, dass 
mehrere Kinder während einer bestimmten Zeit betreut werden. Das 
weiss das Sozialdepartement seit 23 Jahren. 

Oder braucht nun eine Nachbarin auch eine Bewilligung, wenn sie 
mehrere Kinder ihrer berufstätigen Nachbarn während der Ferien 
betreut? Die Öffnungszeiten sind seit Jahren dieselben. Und was die 
Verpflegung angeht: Wäre es dem Sozialdepartment lieber, Gross würde 
die Kinder hungern lassen?

Das mag zugespitzt sein. Der Bescheid des Sozialdepartements ist es 
leider nicht. Tammy Gross darf ihr Daycare Center nur weiter betreiben, 
wenn sie alle Auflagen einer Krippe erfüllt. Auf das Angebot, eine 
Bewilligung nur für die regelmässig zu betreuenden Kinder einzureichen, 
sei das Sozialdepartment nicht eingegangen, so Gross. 

Will heissen: Eltern müssten sich in Zukunft nach einer anderen 
Möglichkeit umsehen, ihre Kinder stundenweise oder über eine bestimmte 
Zeit betreuen zu lassen. Und Eltern, die unregelmässig arbeiten, müssten 
einen Vertrag für bestimmte Tage abschliessen, und die auch bezahlen, 
egal, ob das Kind in der Krippe ist oder nicht.

Wie sagte es Martin Waser, Vorsteher des Sozialdepartements, in der 
Broschüre «Alternativen zur Kita» der Stadt Zürich? Die Stadt brauche 
eine breite Palette von Kinderbetreuungsangeboten. 

Die Angebote sollen «mit den Kitas einen Teppich bilden, der die Familien 
mit unterschiedlichen Bedürfnissen im Alltag unterstützt». So viel zu den 
Worten. Eine Krippe mehr, ein elternfreundliches Angebot weniger, so viel 
zu den Taten des Sozialdepartements. Und wie erkläre ich es meiner 
Tochter, Herr Waser?
Monica Fahmy*


*Monica Fahmy leitet das Ressort Reporter von 
Tagesanzeiger.ch/Newsnet. Sie ist Mutter von zwei Kindern.


Das entsprechende Video von TeleZüri:




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