Samstag, 20. April 2013

Gustl Mollath *** «Ich will ein rechtsstaatliches Verfahren» (Petition unterschreiben!)



GUSTL MOLLATH
«Ich will ein rechtsstaatliches Verfahren»




Die SonntagsZeitung besuchte Mollath als erste Schweizer Zeitung in
seiner Zelle.


von Werner Thies

Er prangerte Schwarzgeld-Transfers in die Schweiz an. Und wurde für
verrückt erklärt. Seit sieben Jahren sitzt der Deutsche Gustl Mollath in der
Zwangspsychiatrie. Rechtsexperten sprechen von einem Justizskandal.


Die Angst vor der Zwangsjacke lässt nicht nur zarte Seelen zittern. Ein
Mensch wird weggesperrt, ohne fairen Prozess. Auf unbestimmte Zeit,
vielleicht sogar auf ewig. Er ist ohnmächtig und hilflos. Er ist kerngesund
und wird für verrückt erklärt, aller irdischen Güter und aller Rechte
beraubt.

Gibts das wirklich? Ja.

Dies ist die Geschichte eines Justizskandals. Hintergrund sind
Schwarzgeld-Schiebereien zwischen Deutschland und der Schweiz in
Millionenhöhe. Das Opfer des Skandals heisst Gustl Mollath, 56 Jahre alt.

Mollath ist ein Mann, der vorgab, viel zu wissen - und der seinen Mund
nicht hielt. Er schrieb Briefe, verschickte Dossiers.

Manches schien wirr. Mollaths Schilderungen der Geldgeschäfte rings um
die deutsche Hypo-Vereinsbank, waren dennoch unmissverständlich. Er
nannte Namen, legte Dokumente vor. Da gab es Aufträge für Konten in
der Schweiz. Die bestanden bei der AKB-Bank, die eine Schweizer Tochter
der Hypo-Bank war, oder bei der damaligen Privatbank Leu.

Über 100 Millionen D-Mark waren einst illegal nach Zürich geflossen, so
behauptete Mollath. Nach seinen Worten tatkräftig dabei, als
Organisatorin und auch als Kurierfahrerin: die eigene Ehefrau, damals
Vermögensberaterin bei der Hypo-Vereinsbank.

Das habe sich der Mann alles nur eingebildet, erklärte die deutsche Justiz
und weigerte sich zu ermitteln. Stattdessen sperrte sie Mollath weg.

Dorthin, wo «Verrückte» vermeintlich hingehören. Begründung: Er sei
einem Wahn verfallen und deshalb gefährlich. Sogar die bayerische
Justizministerin wiederholte das immer und immer wieder.



Seit sieben Jahren schmort Mollath jetzt in der Zwangspsychiatrie. Das
Bayreuther Landgericht wird sich nächste Woche mit seiner weiteren
Unterbringung dort beschäftigen. Justizkenner vermuten, dass das
wieder nicht gut für ihn ausgeht.

Dabei wurde im Herbst des vergangenen Jahres bekannt, dass Mollath
stets Wahres gesagt hatte. Anders als die Justiz hatte die Hypo-
Vereinsbank ihm nämlich geglaubt, als er die Schwarzgeld-Geschäfte
anprangerte, und interne Ermittlungen eingeleitet.

Seit Jahren existiert ein Sonderrevisionsbericht. Darin gehts «um
Vermögenstransfers in die Schweiz» sowie «um Verstösse gegen das
Geldwäschegesetz etc.». Mollaths Problem: Die Bank hielt ihre
Erkenntnisse unter Verschluss. Sein Schicksal hat die Banker nicht
interessiert.

Der Bericht der bankinternen Ermittler umfasst seitenlange Aufzählungen
von «Versäumnissen und Verfehlungen» - allen voran von Gustl Mollaths
inzwischen geschiedener Frau. Sie wurde deshalb gefeuert.

Das Ergebnis ist niederschmetternd für die bayerische Justiz: Gustl
Mollath besitze «Insiderwissen», schrieben die Prüfer. Allenfalls in der
Grössenordnung mag Mollath falsch gelegen haben. Die Banker fanden
kritische Kontenbewegungen nur in Höhe von gut 18 Millionen D-Mark.

Aber alle nachprüfbaren Behauptungen, heisst es wörtlich im
Revisionsbericht, «haben sich als richtig herausgestellt».

Genau wegen dieser Behauptungen war Mollath für verrückt erklärt
worden. Sie seien Teil eines «paranoiden Gedankensystems», steht im
Urteil des Nürnberger Landgerichts vom August 2006. Bayerns
Justizministerin Beate Merk (CSU) verteidigt das. Fast so, als könne sie
nicht lesen, bestritt sie mehrfach, der Revisionsbericht der Bank habe
Mollath rehabilitiert.

Ein eilfertiger Richter verhindert Ermittlungen

Es ist ein weiter Weg zu Gustl Mollath. Kein Besucher darf diesen Weg
allein gehen. Die Leute vom Sicherheitsdienst, die ihn bewachen, sind
immer dabei. Es gibt schwere Gitter, Schleusen, Kameras,
Metalldetektoren.

Fragen bleiben unbeantwortet. Warum werden der Ausweis und das
Handy beschlagnahmt? Warum darf nicht fotografiert werden? Warum
sind die Fenster zum Hof alle undurchsichtig?

Gustl Mollath lebt in Bayern. Als Adresse gibt er an: «Zurzeit gegen
meinen Willen im Bezirkskrankenhaus Bayreuth.» Das ist ein unwirtlicher
Ort, und die freundliche Bezeichnung «Krankenhaus» entpuppt sich als
Camouflage. Für Gustl Mollath ist es ein Psychoknast.

Immerhin hat er seit etwa einem Jahr eine Einzelzelle. Doch nicht mal eine
Schreibmaschine wird ihm erlaubt. Und nachts ist an vernünftigen Schlaf
nicht zu denken. Alle zwei Stunden wird Licht gemacht. «Ich habe einen
deutschen Pass», beklagt sich Mollath, «aber ich darf nicht einmal
wählen.»

Mit Mollath wurde im wahrsten Sinne des Wortes kurzer Prozess
gemacht: Die Gerichtsverhandlung dauerte genau einen Tag, dann war
sein Schicksal besiegelt.

Richtig untersucht worden ist er nie. Die Gutachten, die dem Wegsperren
dienten, sind in Wahrheit «Schlechtachten». Die Psychiater erstellten
«Ferndiagnosen» ohne Gespräche mit dem Angeklagten.

Die Menschenrechtsbeauftragte der Bayerischen Ärztekammer hält das
für skandalös. Sie schrieb an Bayerns Justizministerin. Wochenlang bekam
sie keine Antwort.

Richter Otto Brixner brauchte nicht einmal die vermeintlichen Expertisen,
um den angeblichen Wahn Gustl Mollaths zu durchschauen. Als die
bayerischen Steuerbehörden kurz davor waren, Ermittlungen gegen die
Hypo-Vereinsbank aufzunehmen, war es Brixner, der das aktiv
verhinderte.

Er rief die Steuerfahnder an und behauptete, Mollath sei nicht normal. Die
Fahnder verschonten daraufhin die Bank.

In dem Verfahren gegen den «irren» Mollath ging es um Körperverletzung
und Sachbeschädigung. Er soll seine Frau geschlagen und unzählige
Autoreifen zerstochen haben. Schwere Vorwürfe. Sie haben einen bösen
Schönheitsfehler. Es gibt keine - bestenfalls wacklige, mutmasslich
manipulierte - Beweise.

Petra und Gustl Mollath waren ein ungleiches Paar. Sie: knallharte
Bankerin. Er: Reifenhändler, Rennfahrer und Autobastler. Das Geld der
Mollaths verdiente die Frau. Das noble Haus, in dem die beiden wohnten,
gehörte ihm. Es war sein Elternhaus.

Freunde von Gustl Mollath sagen, er sei ein «Friedensbewegter» mit
ausgeprägtem Gerechtigkeitssinn.

In den Neunzigerjahren begann ein Ehezwist, der mit der Zeit zum Krieg
wurde. Hauptstreitpunkt waren die Schwarzgeld-Geschäfte, die Petra
Mollath betrieb. «Ich wollte meine Frau beschützen», sagt Mollath. «Sie
sollte aufhören, damit nicht eines Tages die Polizei vor der Tür stünde.»

Angefleht habe er sie. Vergeblich. Die Polizei stand eines Tages
tatsächlich vor der Tür, aber um den Mann zu verhaften, nicht die Ehefrau.

Der Besucherraum im Bayreuther Krankenhaus-Gefängnis ist nicht
gemütlich. Es gibt ein paar kleine, nackte Kunststofftische mit stakelig-
dünnen Beinen und jeweils vier unbequemen Stühlen. Alles ist knallhell
ausgeleuchtet. Sauber. Das ist das Netteste, was sich über das Zimmer
sagen lässt.

90 Minuten darf ein Treffen dauern. Viel erzählt werden kann in dieser
Zeit nicht. Aber doch mehr als am Telefon. Da werden Gespräche nach 20
Minuten getrennt. Die Insassen der Psychiatrie stehen bei jedem
Telefonat auf dem Flur. Wer will, kann mithören. «Schikane», sagt Mollath.

Er redet ruhig und unaufgeregt, so, wie andere Leute vielleicht über ein
zu hart gekochtes Frühstücksei. Nur die Augen blitzen manchmal. Hinter
der Stirn, scheint es dann, sitzen Enttäuschung und Wut. «Ich will nichts
anderes als ein rechtsstaatliches Verfahren», fordert Mollath.

Gustl Mollath hätte wissen können, was ihm passiert. Seine Frau hatte
das angekündigt. «Wenn Gustl meine Bank und mich anzeigt, mache ich
ihn fertig», soll sie gedroht haben. Sie werde ihren Mann auf seinen
Geisteszustand überprüfen lassen: «Dann hänge ich ihm was an, ich
weiss auch wie.»

Ein alter Freund der beiden, ein Zahnarzt aus Bad Pyrmont, kann das
beschwören. Er schickte eine eidesstattliche Versicherung zur Justiz nach
Bayern. Vergeblich. Wie zum Hohn bekam der Mann vom Gericht eine
Rechnung über 60 Euro, weil er den Beamten mit seiner Eingabe unnütze
Arbeit gemacht hat.

Petra Mollath liess sich tatsächlich eine Menge einfallen, um ihren Mann
anzuschwärzen. Wahrheitswidrig zeigte sie ihn an wegen illegalen
Waffenbesitzes. 12 Polizeibeamte stürmten daraufhin martialisch das
Haus. Sie fanden: ein uraltes Luftgewehr.

Wer das Urteil des Landgerichts Nürnberg liest, muss Gustl Mollath für
einen üblen Schläger halten. Sicher ist nur: Es gab im August 2001 eine
Auseinandersetzung. Im Urteil steht, Gustl Mollath habe seine Frau «ohne
Grund mindestens 20-mal mit beiden Fäusten auf den gesamten Körper»
geschlagen.

Von einer «blutenden Bisswunde» ist die Rede. Bis zur Bewusstlosigkeit
habe Mollath die Frau gewürgt.

War es wirklich so, wie Richter Otto Brixner es ins Urteil geschrieben hat?
Petra Mollath reichte erst über ein Jahr nach der angeblichen Prügelorgie
Anzeige ein. Da war das Paar bereits getrennt. Als Zeugin wurde sie nicht
vernommen. Sie hat lediglich ein Attest vorgelegt, das ihre Behauptungen
belegen sollte.

Doch die Ärztin, auf deren Briefpapier und unter deren Namen das Attest
verfasst wurde, kann sich an den ganzen Vorgang nicht erinnern. Ihre
Sprechstundenhilfe war aber eine gute Freundin des angeblichen Opfers -
und tatsächlich geschrieben und unterschrieben hat den vermeintlichen
Beweis der Sohn der Ärztin.

Mit anderen Worten: Das Dokument war gefälscht.

Wegen dieser und vieler anderer Ungereimtheiten hat Mollaths neuer
Verteidiger, der Hamburger Anwalt Gerhard Strate, die Wiederaufnahme
des Verfahrens beantragt. Im Verfahren gegen Gustl Mollath sei «Recht
gebeugt» worden, befindet Strate. Er ist mit dieser Meinung längst nicht
mehr allein.

Parlamentarischer Ausschuss soll den Fall untersuchen

Auch die Staatsanwaltschaft in Regensburg glaubt inzwischen, dass bei
Mollaths Verurteilung nicht alles mit rechten Dingen zugegangen ist. Auch
sie hat einen Wiederaufnahmeantrag gestellt. Die Begründung ist 150
Seiten stark.

In diesem Monat soll über beide Anträge entschieden werden. Es gilt als
wahrscheinlich, dass mindestens einer angenommen wird. Das Ergebnis:
Gustl Mollath käme auf freien Fuss.

Hat er Angst davor? Mollath sagt Nein. Seine Stimme wird leise. Sein
akkurat gestutzter Oberlippenbart zuckt ein bisschen. «Ich habe nichts.
Nur die paar Dinge, die ich auf dem Leib trage.»

Das Haus habe seine Frau an sich gerissen. Die Autos, die Werkstatt, die
Möbel, seine Zeugnisse, sogar die Fotos seiner Eltern: «Alles,
buchstäblich alles, was ich jemals besass, ist spurlos verschwunden.»

Fast so, als hätte er nie gelebt

Um die Zustände in der Zwangspsychiatrie will er sich kümmern, wenn er
seine Freiheit wieder hat: «Die meisten Leute ahnen ja nicht, wie es hier
zugeht.» Dabei werden immer mehr Menschen weggesperrt. Bayern ist
deutschlandweit an der Spitze. Auf gerade mal 5200 Einwohner kommt
ein Psychiatrie-Insasse.

Warum das alles? Mollath glaubt, dass in der kleinen Welt der Nürnberger
Provinz eine Hand die andere wusch. Wer was auf sich hält, wer mächtig
ist und mächtig bleiben will, ist Mitglied im Rotary-Club. Oder im
Sportverein. Oder in beidem.

Staatsanwälte, Richter, Behörden-Präsidenten, Banker, Unternehmer.
Steuerbetrüger genauso wie Steuereintreiber. Man kennt sich. Man hilft
sich. Rücksichtslos.

Am Donnerstag wurde bekannt: Es wird im bayerischen Landtag eine
parlamentarische Untersuchungskommission geben. Die soll klären,
warum im Fall Mollath nicht zuletzt von der Justizministerin Beate Merk
vernebelt und vertuscht wurde.

Vielleicht erfährt die Öffentlichkeit dann, wer Angst hätte haben müssen
vor den - verhinderten - Ermittlungen. Im Prüfbericht der Hypo-
Vereinsbank ist die Rede von einer «allgemein bekannten Persönlichkeit»,
deren Geld gestückelt in die Schweiz gebracht worden sei.

Es soll sich dabei, so viel scheint klar, um eine Frau handeln.

Publiziert am 14.04.2013

Zaungast


Bitte unterzeichnen Sie die Petition!

https://www.openpetition.de/petition...er-gustl-mollath




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