Freitag, 21. Februar 2014

Jüdisches Leben in Gailingen



Vortrag von Joachim Klose
Jüdisches Leben in Gailingen

Joachim Klose erzählte am Donnerstag Geschichten und Anekdoten aus dem Leben der Juden der Deutschen Nachbargemeinde Gailingen. Der Anlass des Vereins jüdische Geschichte lockte rund 30 Personen ins Bürgerhaus am Synagogenplatz.
Klose verfügt über einen riesigen Schatz an Anekdoten. Er fand sie in alten Dokumenten und vieles stammt aus Überlieferungen alt eingesessener Gailinger Familien. Humorvoll erzählte er von kauzigen Leuten aus den letzten zwei Jahrhunderten. Er brachte sein Publikum immer wieder zum lachen.
Aus dem Lebensbericht von Onkel Albert (Altert Brütsch) ist zu erfahren, dass in den 1920er Jahren ein Mann namens Isidor mit einer hübschen Frau verheiratet war. Sie nahm es mit der Treue nicht sehr genau. Wenn Isidor sie erwischte, sagte sie „ich wollte Dich nur schonen“ worauf er antwortete „in dieser Beziehung will ich nicht geschont werden“. 
Viele Geschichten handelten davon, dass es Rabbiner nicht immer leicht mit ihren Gemeinden haben. Nach seiner anstrengenden Vortragstour habe ein Rabbiner aus Gailingen gesagt „Acht Tage von seiner Kehilla (Gemeinde) weg, ist alleine schon Erholung“.
Klose erzählte dann von alten Gailinger Familien. 1898 kam Rosa Bloch als Tochter eines Optikers zur Welt. Sie wuchs in Gailingen auf. Nach der Schulzeit machte sie eine Lehre im Mercerie-Geschäft Weil in Diessenhofen. Es war kein Zuckerschlecken. Sie musste zum Beispiel Mäusefallen leeren. Ihre Mutter Bertha sei eine resolute Frau gewesen. Sie habe bei einem Streit einen Nachttopf über die Streithähne geleert. 
Der reichste Gailinger Jude seiner Zeit war Ludwig Rothschild (1849 – 1915). Zusammen mit seinem Bruder Simon, Gemeinderat, führte er die elektrische Strassenbeleuchtung ein und unterstützte den Bau eines jüdischen Altenheimes. Eher zurückhaltend war er, wenn es um Bettler ging. Er bot zum Beispiel einem armen Mitbürger Geld an, wenn er dafür Holz hacke. „Ich würde dir 15 Kreuzer geben, einem Christen nur 10“ sagte Rothschild. Darauf antwortete der Bettler: „Lass den Christen arbeiten und gib mir die Differenz“.
Geschichte der Juden in Gailingen
Der Anlass fand im Leopold Guggenheim Saal statt. Der Jude Guggenheim war von 1870 bis 1884 Bürgermeister von Gailingen. Damals waren dort rund die Hälfte der 2000 Einwohner Juden. Bei der Machtübernahme durch Hitler lebten noch etwa zweihundertvierzig Juden in Gailingen. Sie wurden 1940 in das französische Internierungslager Gurs deportiert. Eine Gedenkstätte auf dem Synagogenplatz erinnert an die Deportation und an die Zerstörung der Synagoge im November 1938. 
Das vor 167 Jahren erbaute jüdische Schulhaus blieb von den Verwüstungen in der Hitlerzeit verschont. Als Bürgerhaus beherbergt es heute ein jüdisches Ritualbad, „Mikwe“ genannt, und eine Ausstellung über jüdische Geschichte und Kultur. Der 1997 gegründete Verein jüdischer Geschichte Gailingen setzt sich für die Bewahrung der Erinnerungen ein. Klose kümmert sich als ehrenamtlicher Mitarbeiter um das tägliche Geschäft des Vereins. „Diese Arbeit ist wahrscheinlich das Sinnvollste, was ich in meinem Leben bislang gemacht habe“ sagte er.
Dieter Ritter (dr)© Text und Fotos von Dieter Ritter


Das vor 167 Jahren erbaute jüdische Schulhaus am Synagogenplatz, heute Bürgerhaus genannt. Im Vordergrund links das Mahnmal, das an die Deportation von 1940 erinnert.




Die Eingangstür zum Bürgerhaus.



(Bild folgt noch)
Der Gedenkstein mit den Namen der 1940 deportierten Gailinger Juden.




(Bild folgt noch)
Joachim Klose erzählte Anekdoten aus dem Leben der Juden in Gailingen. 




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