Vortrag von Joachim Klose
Jüdisches
Leben in Gailingen
Joachim Klose erzählte am
Donnerstag Geschichten und Anekdoten aus dem Leben der Juden der
Deutschen Nachbargemeinde Gailingen. Der Anlass des Vereins jüdische
Geschichte lockte rund 30 Personen ins Bürgerhaus am Synagogenplatz.
Klose verfügt über einen
riesigen Schatz an Anekdoten. Er fand sie in alten Dokumenten und
vieles stammt aus Überlieferungen alt eingesessener Gailinger
Familien. Humorvoll erzählte er von kauzigen Leuten aus den letzten
zwei Jahrhunderten. Er brachte sein Publikum immer wieder zum lachen.
Aus dem Lebensbericht von Onkel
Albert (Altert Brütsch) ist zu erfahren, dass in den 1920er Jahren
ein Mann namens Isidor mit einer hübschen Frau verheiratet war. Sie
nahm es mit der Treue nicht sehr genau. Wenn Isidor sie erwischte,
sagte sie „ich wollte Dich nur schonen“ worauf er antwortete „in
dieser Beziehung will ich nicht geschont werden“.
Viele Geschichten
handelten davon, dass es Rabbiner nicht immer leicht mit ihren
Gemeinden haben. Nach seiner anstrengenden Vortragstour habe ein
Rabbiner aus Gailingen gesagt „Acht Tage von seiner Kehilla
(Gemeinde) weg, ist alleine schon Erholung“.
Klose erzählte dann von alten
Gailinger Familien. 1898 kam Rosa Bloch als Tochter eines Optikers
zur Welt. Sie wuchs in Gailingen auf. Nach der Schulzeit machte sie
eine Lehre im Mercerie-Geschäft Weil in Diessenhofen. Es war kein
Zuckerschlecken. Sie musste zum Beispiel Mäusefallen leeren. Ihre
Mutter Bertha sei eine resolute Frau gewesen. Sie habe bei einem
Streit einen Nachttopf über die Streithähne geleert.
Der reichste
Gailinger Jude seiner Zeit war Ludwig Rothschild (1849 – 1915).
Zusammen mit seinem Bruder Simon, Gemeinderat, führte er die
elektrische Strassenbeleuchtung ein und unterstützte den Bau eines
jüdischen Altenheimes. Eher zurückhaltend war er, wenn es um
Bettler ging. Er bot zum Beispiel einem armen Mitbürger Geld an,
wenn er dafür Holz hacke. „Ich würde dir 15 Kreuzer geben, einem
Christen nur 10“ sagte Rothschild. Darauf antwortete der Bettler:
„Lass den Christen arbeiten und gib mir die Differenz“.
Geschichte der Juden in
Gailingen
Der Anlass fand im Leopold
Guggenheim Saal statt. Der Jude Guggenheim war von 1870 bis 1884
Bürgermeister von Gailingen. Damals waren dort rund die Hälfte der
2000 Einwohner Juden. Bei der Machtübernahme durch Hitler lebten
noch etwa zweihundertvierzig Juden in Gailingen. Sie wurden 1940 in
das französische Internierungslager Gurs deportiert. Eine
Gedenkstätte auf dem Synagogenplatz erinnert an die Deportation und
an die Zerstörung der Synagoge im November 1938.
Das vor 167 Jahren
erbaute jüdische Schulhaus blieb von den Verwüstungen in der
Hitlerzeit verschont. Als Bürgerhaus beherbergt es heute ein
jüdisches Ritualbad, „Mikwe“ genannt, und eine Ausstellung über
jüdische Geschichte und Kultur. Der 1997 gegründete Verein
jüdischer Geschichte Gailingen setzt sich für die Bewahrung der
Erinnerungen ein. Klose kümmert sich als ehrenamtlicher Mitarbeiter
um das tägliche Geschäft des Vereins. „Diese Arbeit ist
wahrscheinlich das Sinnvollste, was ich in meinem Leben bislang
gemacht habe“ sagte er.
Dieter Ritter (dr)© Text und Fotos von Dieter Ritter
Das
vor 167 Jahren erbaute jüdische Schulhaus am Synagogenplatz, heute
Bürgerhaus genannt. Im Vordergrund links das Mahnmal, das an die
Deportation von 1940 erinnert.
Die
Eingangstür zum Bürgerhaus.
(Bild folgt noch)
Der
Gedenkstein mit den Namen der 1940 deportierten Gailinger Juden.
(Bild folgt noch)
Joachim
Klose erzählte Anekdoten aus dem Leben der Juden in Gailingen.
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