(von Dieter Ritter) 15.02.2013
Atomendlager Schlatt
Orientierung 13.2.2013
Atommüll in Schlatt
Für die Oberflächenanlage OFA eines Tiefenlagers für radioaktive
Abfälle bleibt der Standort Schlatt-Neuparadies weiter im Gespräch. Dies
geht aus der Informationsveranstaltung vom letzten Mittwoch im bis auf
den letzten Platz besetzten Gemeindesaal Schlatt hervor.
Es referierten Vertreter der Gemeinde Schlatt, des Kantons, der Region
Zürich-Nordost, des Bundes und der Nagra.
„Die erste Reaktion der Bevölkerung auf ein Atomendlager ist Ablehnung.
Das verstehen wir“ sagte Kurt Engel, Gemeindeammann von Schlatt. Nach
eingehender Prüfung lehne er den von der Nagra empfohlenen Standort
für die OFA beim Bahnhof Schlatt ab.
Er liege im Gewässerschutzbereich und die Zufahrtsrampe zum
Tiefenlager würde mit 6 Kilometern zu lang. Auch die Nähe zum
Wohngebiet und der Eingriff in schützenswerte Landschaft seien
Argumente gegen den Standort. Diese Meinung teile auch die
Regionalkonferenz Zürich Nordost, erklärte deren Präsident Jürg Grau.
Als Hauptgrund für die Ablehnung führte Grau den Gewässerschutz an.
Als Vertreter des Kantons Thurgau sprach Regierungsrat Jakob Stark.
„Wir fordern, dass alle Standorte genau gleich untersucht werden“
betonte er und zeigte sich kämpferisch: „Einseitige Argumente aus
politischen Gründen lassen wir uns nicht gefallen“.
Michael Aebersold, Bundesamt für Energie BFE und Markus Fritschi, Nagra,
erinnerten an die bisherigen Tätigkeiten und boten Einblick in die
nächsten Etappen. Die Nagra realisiert im Auftrag des BFE und auf Kosten
der Verursacher die sichere Entsorgung radioaktiver Abfälle aus der
Schweiz.
Diese fallen in Kernkraftwerken, Medizin, Industrie und Forschung an. Die
Nagra schlug nach rein geologischen Gesichtspunkten mögliche Standorte
für ein Atomendlager vor. Jetzt nehmen die Regionen Stellung. Bedenken
gegen mögliche Standorte bedeuten nicht automatisch, dass diese nicht
weiter untersucht werden.
Einige Einwände werden als „Abwägungs-Kriterien“ gewertet. Es kann
nicht sein, dass kein einziges Gebiet für das Atomendlager in Frage
kommt. „Wir müssen hier Kompromisse machen“ erklärte Fritschi.
Ab 2016 möchte die Nagra vertiefte Untersuchungen für nur noch wenige
Standorte durchführen.
Weiteres Vorgehen
Etwa in acht Jahren wird der Bundesrat entscheiden, welche
Standortgebiete für die Lagerung von hochradioaktiven Abfällen, HAA,
und von schwach- und mittelaktiven Abfällen, SMA, in Frage kommen.
Nach einer öffentlichen Anhörung erteilt der Bundesrat dann die
Rahmenbewilligung. Sie untersteht dem fakultativen Referendum.
„Es ist anzunehmen, dass eine eidgenössische Volksabstimmjung ein
klares Ja zum vorgeschlagenen Standort ergäbe“ mutmasste Rau vor
einem Jahr bei einer Informationsveranstaltung in Schlatt. Er zieht diesen
Schluss, da die meisten Abstimmenden nicht aus der betroffenen Region
stammen.
Die Experten stellten sich nach ihren Referaten den Fragen des
Publikums. Ein Landwirt aus Schlatt wollte wissen, ob es bei der
Standortwahl gerecht zugehe. Er meinte „Man stelle sich eine
Probebohrung in Herrliberg bei den Reichen vor“.
Fritschi machte darauf aufmerksam, dass in der ersten Phase Gebiete nur
nach geologischen Gegebenheiten ausgewählt wurden. Weitere Votanten
machten auf die Gefährlichkeit der Endlager aufmerksam. Das Risiko
werde verharmlost.
Sie befürchteten Kettenraktionen oder vergiftetes Wasser. Fritschi
erklärte, dass Kettenreaktionen nicht möglich seien und beim Umpacken
in der OFA und beim Transport kein Kühlwasser benötigt werde. Bauten
und Stollen würden keine Grundwasser-Ströme berühren.
Grundwasserschutz-Zonen seien aber kein zwingender Ausschluss-
Grund.
Auf die Frage, wie Atommüll anders als in geologischen Tiefenlagern
entsorgt werden könnte, wies Aebersold auf einige Alternativen hin, die
diskutiert wurden. Zum Beispiel solle man den Müll im Meer versenken
oder auf den Mond schiessen.
„Alle Experten weltweit sind sich einig, dass nach heutigem Wissenstand
das Tiefenlager die einzig gangbare Lösung ist“, erklärte Aebersold.
Nicht nur in der Schweiz
Der demokratische Weg, den die Schweiz für das Endlager-Problem
gewählt hat, ist langwierig. Er bedingt eine enge Zusammenarbeit mit der
Bevölkerung. Länder mit weniger direkter Demokratie sind jedoch nicht
weiter als die Schweiz.
Ein Wissenschaftsmagazin aus Österreich, Science ORF, stellte fest, dass
es 440 Atomkraftwerke weltweit gebe aber kein einziges Endlager für
hochradioaktiven Müll. Die Entsorgung sei weder politisch noch technisch
gelöst.
Langfristige Lösung gesucht
Ins Endlager kommt ein Mix aus gefährlichen Abfallstoffen. Einige
Elemente sind schon nach wenigen Jahren ungefährlich während andere
nach vielen Millionen Jahren erst die Hälfte ihres Gefahren-Potentials
abgebaut haben.
Die Behauptungen, wie lange Atommüll als Ganzes gefährlich ist, liegen
deshalb weit auseinander. Es handelt sich um mehr als hunderttausend
Jahre, darin stimmen alle Schätzungen überein.
Dieter Ritter (dr)
© Bericht und Fotos von Dieter Ritter
von links: Jakob Stark, Regierungsrat, Markus Fritschi, Nagra, Jürg Grau, Präsident Regionalkonferenz
ZNO, Kurt Engel, Gemeindeammann Schlatt, Michael Aebersold, Bundesamt für Energie,
Moderator Urs Bachmann, freier Berater
Schlatt-Paradies: Vor diesem Industrieareal, gegenüber der Ziegelei, würde die OFA gebaut
Orientierung 13.2.2013
Atommüll in Schlatt
Für die Oberflächenanlage OFA eines Tiefenlagers für radioaktive
Abfälle bleibt der Standort Schlatt-Neuparadies weiter im Gespräch. Dies
geht aus der Informationsveranstaltung vom letzten Mittwoch im bis auf
den letzten Platz besetzten Gemeindesaal Schlatt hervor.
Es referierten Vertreter der Gemeinde Schlatt, des Kantons, der Region
Zürich-Nordost, des Bundes und der Nagra.
„Die erste Reaktion der Bevölkerung auf ein Atomendlager ist Ablehnung.
Das verstehen wir“ sagte Kurt Engel, Gemeindeammann von Schlatt. Nach
eingehender Prüfung lehne er den von der Nagra empfohlenen Standort
für die OFA beim Bahnhof Schlatt ab.
Er liege im Gewässerschutzbereich und die Zufahrtsrampe zum
Tiefenlager würde mit 6 Kilometern zu lang. Auch die Nähe zum
Wohngebiet und der Eingriff in schützenswerte Landschaft seien
Argumente gegen den Standort. Diese Meinung teile auch die
Regionalkonferenz Zürich Nordost, erklärte deren Präsident Jürg Grau.
Als Hauptgrund für die Ablehnung führte Grau den Gewässerschutz an.
Als Vertreter des Kantons Thurgau sprach Regierungsrat Jakob Stark.
„Wir fordern, dass alle Standorte genau gleich untersucht werden“
betonte er und zeigte sich kämpferisch: „Einseitige Argumente aus
politischen Gründen lassen wir uns nicht gefallen“.
Michael Aebersold, Bundesamt für Energie BFE und Markus Fritschi, Nagra,
erinnerten an die bisherigen Tätigkeiten und boten Einblick in die
nächsten Etappen. Die Nagra realisiert im Auftrag des BFE und auf Kosten
der Verursacher die sichere Entsorgung radioaktiver Abfälle aus der
Schweiz.
Diese fallen in Kernkraftwerken, Medizin, Industrie und Forschung an. Die
Nagra schlug nach rein geologischen Gesichtspunkten mögliche Standorte
für ein Atomendlager vor. Jetzt nehmen die Regionen Stellung. Bedenken
gegen mögliche Standorte bedeuten nicht automatisch, dass diese nicht
weiter untersucht werden.
Einige Einwände werden als „Abwägungs-Kriterien“ gewertet. Es kann
nicht sein, dass kein einziges Gebiet für das Atomendlager in Frage
kommt. „Wir müssen hier Kompromisse machen“ erklärte Fritschi.
Ab 2016 möchte die Nagra vertiefte Untersuchungen für nur noch wenige
Standorte durchführen.
Weiteres Vorgehen
Etwa in acht Jahren wird der Bundesrat entscheiden, welche
Standortgebiete für die Lagerung von hochradioaktiven Abfällen, HAA,
und von schwach- und mittelaktiven Abfällen, SMA, in Frage kommen.
Nach einer öffentlichen Anhörung erteilt der Bundesrat dann die
Rahmenbewilligung. Sie untersteht dem fakultativen Referendum.
„Es ist anzunehmen, dass eine eidgenössische Volksabstimmjung ein
klares Ja zum vorgeschlagenen Standort ergäbe“ mutmasste Rau vor
einem Jahr bei einer Informationsveranstaltung in Schlatt. Er zieht diesen
Schluss, da die meisten Abstimmenden nicht aus der betroffenen Region
stammen.
Die Experten stellten sich nach ihren Referaten den Fragen des
Publikums. Ein Landwirt aus Schlatt wollte wissen, ob es bei der
Standortwahl gerecht zugehe. Er meinte „Man stelle sich eine
Probebohrung in Herrliberg bei den Reichen vor“.
Fritschi machte darauf aufmerksam, dass in der ersten Phase Gebiete nur
nach geologischen Gegebenheiten ausgewählt wurden. Weitere Votanten
machten auf die Gefährlichkeit der Endlager aufmerksam. Das Risiko
werde verharmlost.
Sie befürchteten Kettenraktionen oder vergiftetes Wasser. Fritschi
erklärte, dass Kettenreaktionen nicht möglich seien und beim Umpacken
in der OFA und beim Transport kein Kühlwasser benötigt werde. Bauten
und Stollen würden keine Grundwasser-Ströme berühren.
Grundwasserschutz-Zonen seien aber kein zwingender Ausschluss-
Grund.
Auf die Frage, wie Atommüll anders als in geologischen Tiefenlagern
entsorgt werden könnte, wies Aebersold auf einige Alternativen hin, die
diskutiert wurden. Zum Beispiel solle man den Müll im Meer versenken
oder auf den Mond schiessen.
„Alle Experten weltweit sind sich einig, dass nach heutigem Wissenstand
das Tiefenlager die einzig gangbare Lösung ist“, erklärte Aebersold.
Nicht nur in der Schweiz
Der demokratische Weg, den die Schweiz für das Endlager-Problem
gewählt hat, ist langwierig. Er bedingt eine enge Zusammenarbeit mit der
Bevölkerung. Länder mit weniger direkter Demokratie sind jedoch nicht
weiter als die Schweiz.
Ein Wissenschaftsmagazin aus Österreich, Science ORF, stellte fest, dass
es 440 Atomkraftwerke weltweit gebe aber kein einziges Endlager für
hochradioaktiven Müll. Die Entsorgung sei weder politisch noch technisch
gelöst.
Langfristige Lösung gesucht
Ins Endlager kommt ein Mix aus gefährlichen Abfallstoffen. Einige
Elemente sind schon nach wenigen Jahren ungefährlich während andere
nach vielen Millionen Jahren erst die Hälfte ihres Gefahren-Potentials
abgebaut haben.
Die Behauptungen, wie lange Atommüll als Ganzes gefährlich ist, liegen
deshalb weit auseinander. Es handelt sich um mehr als hunderttausend
Jahre, darin stimmen alle Schätzungen überein.
Dieter Ritter (dr)
© Bericht und Fotos von Dieter Ritter
von links: Jakob Stark, Regierungsrat, Markus Fritschi, Nagra, Jürg Grau, Präsident Regionalkonferenz
ZNO, Kurt Engel, Gemeindeammann Schlatt, Michael Aebersold, Bundesamt für Energie,
Moderator Urs Bachmann, freier Berater
Schlatt-Paradies: Vor diesem Industrieareal, gegenüber der Ziegelei, würde die OFA gebaut
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