Montag, 15. Oktober 2012

Eine kleine Geschichte von einem Straßenmusikanten

NEU: Im Gedankensplitter *** 
Eine kleine Geschichte von einem Straßenmusikanten 
(von Michael Vaupel)15.10.2012


Eine kleine Geschichte
von einem Straßenmusikanten


Ich bin via "Facebook" auf eine Geschichte gestoßen, die mich 
nachdenklich gemacht hat. Diskussion dazu wie gehabt auf der Facebook-
Seite von Tom Firley und mir ("Der Börsentreff" - schauen Sie doch mal 
rein, wenn Sie mögen).

Um was es geht (die Aktion ist bereits einige Jahre alt, stimmt aber, habe 
das verifiziert und dazu einen sehr interessanten Washington Post Artikel 
gefunden, der mich emotional berührt hat):

Die Washington Post führte ein Experiment durch. 

Dazu stellte sich eine Person als Straßenmusiker verkleidet in den 
Durchgang zu einer U-Bahn in Washington DC, während des 
morgendlichen Berufsverkehrs. Er hatte den Auftrag, ca. 45 Minuten zu 
spielen, und zwar klassische Stücke, u.a. von Bach und Schubert. In 
dieser Zeit sollten geschätzt 1.100 Menschen vorübergehen.

Einige Leute warfen ihm etwas Geld hin, doch wirklich stehen blieb 
niemand. Eine Handvoll Menschen stockte kurz, eilte dann aber weiter. 

Jeder der Passaten hatte eine schnelle Entscheidung zu treffen, eine 
Entscheidung, die jeder Berufspendler einer Großstadt kennt: Hält man 
an, um zuzuhören? Eilt man schnell weiter? Wirft man einen Dollar in den 
Hut, nur um höflich zu sein? 

Wird die Entscheidung dadurch beeinflusst, ob die Musik wirklich gut ist? 
Oder schlecht? Hat man Zeit, darüber nachzudenken? Sollte man das 
überhaupt?

Um es kurz zu machen: Von den geschätzt 1.100 Menschen blieben 
lediglich 6 einige Zeit stehen, um der Musik zu lauschen. 
Interessanterweise waren es hauptsächlich kleine Kinder, welche 
anhalten wollten - dann aber weitergezogen wurden von ihren Eltern. 

So auch der dreijährige Evan, welcher interessiert den Violinisten beäugte 
und auf die Musik hörte. Als er weggezogen wurde, schaute er dem 
Musiker noch nach, so lange er das konnte.

Einige Erwachsene hielten nur kurz an, um etwas Geld hinzuwerfen 
(insgesamt erhielt der Violinist dann 32,17 Dollar).

Wie gesagt, es handelte sich um ein Experiment der Washington Post.

Der unbekannte Musiker war in Wahrheit keineswegs unbekannt.

Es handelte sich um den weltberühmten Star-Geiger Joshua Bell, einen 
der begabtesten Musiker. Und er spielte auf einer Stradivari mit 
geschätztem Wert von 3,5 Millionen Dollar.

Joshua Bell spielte während des Experiments u.a. die "Partita No. 2" in d-
Moll. Die bezeichnet er selber als eines der großartigsten Musikstücke, 
welches jemals geschrieben worden sei. Es sei perfekt strukturiert und 
für eine Solo-Violine geschrieben. (Und es soll eines der schwierigsten 
Stücke überhaupt für einen Solo-Violinisten sein!) 

Während ich diese Zeilen hier schreibe, höre ich mir die Partita No. 2 
übrigens an.

Ironischerweise hatte Joshua Bell nur zwei Tage vorher in voll besetzter 
Konzerthalle ein Konzert gegeben, Eintrittspreis durchschnittlich 100 
Dollar, grandioser Applaus etc. pp.

Und hier war die Gelegenheit, einen der weltbesten Musiker umsonst zu 
hören. Und von 1.100 Menschen blieben lediglich 6 stehen.

Wie gesagt, es war ein Experiment, in Bezug auf Wahrnehmung.

Ich zitiere ein Fazit:

Wenn wir nicht mal einen Moment, einen Augenblick innehalten können 
um einen der besten Musiker der Welt zu zuhören - uns nicht einen 
Augenblick Zeit nehmen können, diese wundervollen Melodien zu 
erkennen...welche Schönheiten und wundervollen Dinge in unserem 
Leben übersehen wir noch?

Dies fragt sich gerade:

Ihr

Michael Vaupel
Diplom-Volkswirt / M.A.
Chefredakteur Traders Daily

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