Donnerstag, 7. März 2013

Ein Natur-Ereignis auf zwei Stürmerbeinen





Ein Naturereignis
auf zwei Stürmerbeinen


Er ist ein 1,80 Meter grosser Muskelprotz, der sich in seiner persönlichen
Weltauswahl selbst aufstellt: «Cristiano Ronaldo, Leo Messi – und ich.»
 

Einige Umwege hat Hulk genommen, um in Europa zu einem der 
gefährlichsten und mithin gefragtesten Stürmern zu wachsen. 
Am Donnerstag ist er im St.-Jakob-Park zu besichtigen. 



Ein Naturereignis auf zwei Stürmerbeinen: Hulk.
(Bild: Reuters/ALEXANDER DEMIANCHUK)


Warum Givanildo Vieira de Souza den Übernamen Hulk trägt, darüber gibt 
es verschiedene Versionen. Die einen sagen, die Japaner hätten ihm 
dieses Pseudonym in Anlehnung an die Comicfigur verpasst, weil der 
Brasilianer sich in Tokio das grüne Trikot der Verdy über den 
muskelbepackten Oberkörper streifte.

Er selbst hat unlängst die Geschichte so erklärt: Schon in seiner Kindheit 
habe er seine Kraft entdeckt und gesagt: «Papa, ich bin stark.» Worauf 
der meinte: «Okay, dann bis du der Hulk.» So wird er Givanildo Vieira de 
Souza heute noch genannt, «und das Ganze wurde natürlich dadurch 
begünstigt», sagt der Spieler, «dass ich mich zu einem kräftigen Kerl 
entwickelt habe.»

Mit einem genialen linken Fuss gesegnet

Er zog früh aus von Campina Grande im Bundesstaat Paraiba. Mit 15 
Jahren verbrachte er erstmals zwölf Monate in Portugal, spielte zurück in 
Brasilien nur 70 Minuten als Profi und wechselte 2005 nach Japan in die 
zweite Liga.

Obwohl von der bulligen Statur her dem überkommenen Bild eines 
Mittelstürmers entsprechend, begreift sich Hulk als anderer Spielertyp: 
«Ich war immer eher ein zweiter Stürmer, der über die Flanken kommt, 
sich den Ball holt und viel in Bewegung ist.» 

Das Kraftpaket mit dem kantigen Kinn wird auch bei Zenit meist auf dem 
rechten Flügel eingesetzt.

Technisch stark ist er und obendrein trotz Masse pfeilschnell, und einmal 
in Fahrt gekommen, zum Zentrum ziehend, ist er nur noch sehr schwer zu 
verteidigen mit einem linken Fuss, «gemacht für kunstvolle Schlenzer wie 
für knüppelharte Schüsse» (Spiegel online). So wie bei seinem Tor im 
Hinspiel gegen den FC Liverpool:





2008 wechselte Hulk für angebliche 24 Millionen Franken von Tokio zum 
FC Porto. Mit dem holte er fünf Titel (drei Meisterschaften), gewann die 
Europa League (2011) und war Torschützenkönig (2011/23 Tore in 26 
Spielen). 

Mit einer Quote von 0,54 Toren pro Match, mit 54 Treffer in 99 Ligaspielen 
für seinen Club wurde er für die Fans des FC Porto zum «incrivel», zum 
Unglaublichen. 

Seine Karrierebilanz bis Spätsommer 2012: 203 Spiele, 92 Tore und 62 
weitere Vorlagen.

Der siebtteuerste Spieler

Das macht ihn interessant genug für einen der grössten Transfers in den 
letzten Jahren. Kurz nach den Olympischen Spielen, wo es für Hulk und 
Brasilien nach einer 1:2-Finalniederlage gegen Mexiko (mit einem Hulk-
Tor) Silber gab, setzte sich Zenit St. Petersburg im Tauziehen mit Chelsea, 
Paris St. Germain und Anschi Machatschalka durch.

Für kolportierte 69 Millionen Franken sicherte sich Zenit Anfang 
September das Naturereignis auf zwei Stürmerbeinen. Im Ranking wurde 
Hulk damit zum siebtteuersten Spieler, die im Profifussball transferiert 
wurden – wenn man denn den kursierenden Zahlen Glauben schenken 
mag (siehe Grafik).




Der Rest ist ein Kinderspiel

Der Wechsel in den kalten Norden des Kontinents hat Hulk nicht 
abgeschreckt: «Wenn man es geschafft hat, sich im Alter von 18 Jahren in 
Japan einzugewöhnen», sagte er, «ist alles Weitere ein Kinderspiel.» Für 
Zenit hat Hulk in 18 Spielen sechs Mal getroffen – allerdings nur zwei Mal 
in der russischen Premier Liga, wo der Titelverteidiger nach etwas mehr 
als der Saisonhälfte auf Platz 3 rangiert.

So einfach war es dann eben doch nicht mit der Akklimatisierung und der 
Integration in einen Club, der sich mit einem Budget, das allein aus 
Sponsoring, Merchandising und TV-Rechten 110 Millionen Franken 
veranschlagt, höchste Ziele setzt. 

In einem Club, dessen Fans mit unverhohlenem Rassismus abschrecken, 
und in einem Club, in dem Hulks Jahressalär von angeblich fast zehn 
Millionen Franken Zwietracht säte.

Die Kollegen meuterten wegen der Gagen der neuen Stars

Wegen der hohen Gagen für Hulk und den Belgier Axel Witsel (Benfica), 
den sich Zenit nur wenige Tage nach Hulks Verpflichtung für weitere 40 
Millionen Euro gönnte, soll der russische Nationalspieler Igor Denissow 
die interne Meuterei so auf die Spitze getrieben haben, dass er kurzzeitig 
suspendiert wurde.

Nachdem Zenit in der Champions League unter den (eigenen) Erwartungen 
blieb, als Dritter in der Gruppe hinter Malaga und Milan, und als Hulk 
wiederholt ausgewechselt wurde, rumorte es weiter. 

Der Brasilianer drohte mit Abgang im Januar, was Zenits italienischen 
Trainer Luciano Spalletti aber nicht gross kratzte: «Alle grossen Spieler 
reagieren nicht gut, wenn sie ausgewechselt werden. Er liegt falsch, 
wenn er denkt, dass er immer 90 Minuten spielt.»

Mit Hulks Toren in die Achtefinals

Der Ärger ist inzwischen verflogen. Hulk hat mit zwei Toren in den beiden 
Sechzehntelfinals gegen den FC Liverpool das europäische Fortkommen 
und die Achtelfinals gegen den FC Basel gesichert, und Dietmar 
Beiersdorfer, der Deutsche auf dem Sportdirektorensessel von Zenit, 
meint im Interview mit der «Aargauer Zeitung»: «Als klar wurde, dass die 
beiden ganz hervorragende Spieler sind und charakterlich gut zu uns 
passen, war das schnell kein Thema mehr. Hulk und Witsel haben gute 
Leistungen abgeliefert. Ihre Integration ist abgeschlossen, und sie 
werden gewiss noch stärker aufspielen.


Die Tricks und Tore von Hulk

Mit Hulk möchte man es sich ja auch nicht verscherzen. Wie warnt die 
nuklearverstrahlte Comicfigur Bruce Banner, bevor sie sich in den 
grossen, grünen Muskelberg Hulk verwandelt: «Mach' mich nicht wütend, 
du würdest mich wütend nicht mögen.» 

Und so sagt der Wahlrusse Hulk höfliche Sätze wie: «Ich habe in St. 
Petersburg hervorragende Strukturen und ein ehrgeiziges Projekt 
vorgefunden. Ich bin sicher, dass Zenit in der Zukunft zu den ganz 
grossen Teams Europas gehören wird.»





Von Christoph Kieslich und David Bauer
© TagesWoche

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